Eine Welt viele Farben - eben "Nicht Schwarzweiß" 

Rede anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Nicht schwarzweiß. Eine Intervention in Farbe“ im NS-Dokumentationszentrum München am 28. Februar 2019

Sehr geehrte Frau Zadoff,

liebe Schülerinnen und Schüler der Berufsschule für Gestaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

für mich ist es ein besonderes Erlebnis Schirmherr für die Berufsschule Farbe und Gestaltung anlässlich der Ausstellung "NICHTSCHWARZWEISS". Eine Intervention in Farbe hier am NS-Dokumentationszentrum zu sein.

20 Jahre habe ich an dieser Berufschule als Lehrer gearbeitet.

Mindestens zwei Jahrzehnte habe ich mich zusammen mit vielen anderen für die Schaffung dieses Dokumentationszentrum eingesetzt.

Mit eurer Intervention in Farbe verknüpft ihr zwei Bereiche, die mir in meinem Leben wichtig waren und sind.

• Bildung und Ausbildung als Recht und konkrete Möglichkeit zur Existenzsicherung und Lebensentfaltung

• Bildung als Befassung und Auseinandersetzung für ein würdevolles Leben für sich selbst und zusammen mit anderen Menschen.

Als Kind einer jüdischen Mutter, 1932 in München geboren, durfte ich als sogenannter Geltungsjude viele Jahre keine Schule besuchen. Ausgrenzung stand am Beginn der Verfolgung, die in die Vernichtung führte.

Bildung und Ausbildung war für Menschen, die in der NS-Gesellschaft als Feinde und sog. minderwertige, kulturfremde Untermenschen galten, weder vorgesehen noch erlaubt. Diese streng rassistisch ausgerichtete Gesellschaft engte unsere Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten systematisch ein -- bis hin zum zwangsweisen Transport, getrennt von den Eltern, in das „schulfreie Judenlager Milbertshofen“. Von dort wurden die meisten dann weiter deportiert in den von der Wehrmacht besetzten Osten.

Nur wenige hatten das Glück zu überleben wie meine Geschwister und ich.

Die erfahrene Demütigung, Ausgrenzung und Isolierung hat es mir in den Jahren nach der Befreiung sehr schwer gemacht, wieder Tritt zu fassen in der Mehrheitsgesellschaft.

Mich berührt diese „Intervention in Farbe".

In der Ankündigung steht: „200 Schülerinnen und Schüler aus sieben Berufszweigen der Städtischen Berufsschule für Farbe und Gestaltung setzen sich im Rahmen einer Kunstausstellung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Fragen auseinander.




Viele der Mitwirkenden haben einen Migrationshintergrund, einige sind aus Afghanistan, Nigeria oder dem Irak geflüchtet. Themen wie Ausgrenzung, Rassismus, Flucht und Krieg bestimmen die zum Teil sehr persönlichen Zugänge.“ 
Liebe Schülerinnen und Schüler,
Ihr habt mit euren Gedanken und mit den Mitteln, die euch eure Ausbildung gibt, eingegriffen. 
Zwischen die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen und den derzeitigen Kriegen, Entrechtungen und Verletzungen von Menschenrechten heute habt ihr euch gestellt.
Ihr – denen manche Bürger und Politiker Bildung kaum was zutrauen,
Ressentiments in besonderem Ausmass nachsagen und oft ein Bewusstsein für Moral und Recht absprechen, 
ihr habt dieses Vorurteil widerlegt. 
Ihr habt ganz praktisch vorgemacht, was es braucht,  um mit den Erfahrungen der NS-Geschichte Deutschlands und eurem Erleben heute über eine farbige Welt ,ohne schwarz- weiß verzerrte Bilder, in der Gegenwart nachzudenken. 
NICHTSCHWARZWEISS ---Eine Intervention in Farbe , darauf kommt es an: gemeinsam, aufmerksam für das, was jede, jeder beizutragen und zusagen hat, 
wenn heute auf die grausame Geschichte von Faschismus und Krieg 
und auf die eigenen Erfahrungen und Anforderungen für eine gerechte Welt geschaut wird. 
Es kommt nicht oft vor, dass eine Schule die Vielfalt aller ihrer Schülerinnen zum Ausgangspunkt macht, Wissen und Können verschiedener Berufssparten mobilisiert und sich in die historische und aktuelle Auseinandersetzung begibt
und dann den gewonnenen Einsichten Ausdruck gibt. 
Die Berufsschule für Farbe und Gestaltung hat ein Beispiel geschaffen, das über München hinaus wirken wird.
Als Schirmherr und als Überlebender der Naziverfolgung wünsche ich dieser Ausstellung viel Beachtung.
Für uns alle ist das ein hoffnungsvoller Impuls zusammen um Erkenntnis - gegen Entfachung von Feindseligkeit zu kämpfen,
damit wir zusammen voran kommen für eine Welt in Farbe.